Ein Kommentar von Ralf Tihen zu den aktuellen Protesten in den Niederlanden

09.08.2022

In den Niederlanden protestieren Landwirte seit Wochen gegen strengere Auflagen der Regierung, die die Beschränkung der Nährstoffzufuhr weiter verschärft. Dort zwingen die Pläne zur Verschärfung ein Drittel der Landwirte zur Aufgabe des Betriebs. Auch im Emsland protestieren Landwirte und zeigen Solidarität.

Ralf Tihen, unser Geschäftsführer, befindet sich mitten in der Thematik und möchte zur aktuellen Situation Stellung beziehen. 

Er berichtet wie folgt:

Die Niederlande sind Vorreiter bei dem, was in Deutschland aller Voraussicht nach ebenfalls eintreffen wird. Alle sprechen in Deutschland aktuell von „roten Gebieten“. Rote Gebiete sind Flächen, bei denen der Nitratgehalt des Grundwassers über 50 mg pro Liter liegt. In diesen Gebieten wird die Düngung weiter eingeschränkt. Durch die Verschärfung der Auflagen haben die Landwirte das Problem, dass der Acker, der in ein rotes Gebiet fällt, nicht mehr wirtschaftlich bearbeitet werden kann.

Der Acker wird somit unwirtschaftlich und gleichzeitig bringt er keinen Ertrag mehr. Die Proteste sind ein Hebel. Natürlich gehen die Landwirte auf die Barrikaden, weil die Verordnungen einer Enteignung gleichen.

Wir sehen aktuell, dass der Staat auf die Situation und die Proteste nicht reagiert. Ich persönlich beobachte, dass Medien erst Wochen später einseitig oder lückenhaft über die Proteste berichten. Auch die Medien, für die wir den Rundfunkbeitrag bezahlen. Da muss man sich doch mal fragen: Wieso wird erst Wochen danach berichtet, wenn wegen den Protesten beispielsweise auch Autobahnen gesperrt werden?

Wenn ich auf die Entwicklungen in den letzten Jahren zurückblicke, schaue ich auf ein EU-Gesetz aus dem Jahr 2012 zurück. Alle EU-Staaten sind damals dazu aufgefordert worden, die durchschnittlichen Nitratwerte zu melden. Deutschland hat nicht die durchschnittlichen Werte gemeldet, sondern die Höchstwerte. Dadurch waren wir im Vergleich zu anderen schlechter.

Da sagt man sich: Okay, das war ein Fehler, den korrigiert man und fertig. Es ist allerdings nie korrigiert worden. Anhand dieser Höchstwerte ist die Düngeverordnung-Auflage der EU entstanden und letztendlich anhand von falschen Werten umgesetzt worden. Dazu ist nie Stellung bezogen oder berichtet worden. Es war bereits jahrelang bekannt, was auf uns zukommt. Aber es ist von denjenigen, die Verantwortung tragen, nichts unternommen worden. Und jetzt sollen die Auflagen noch mal verschärft werden.

Ein großes Problem ist ebenfalls, dass die Landwirtschaft allein dafür verantwortlich gemacht wird. Es ist Fakt, dass auch andere Faktoren wie beispielsweise die Werte von vielen Kommunen eine Rolle spielen.

Was sind die Folgen dieser Entwicklung? Diese Düngeverordnung wird sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland weiter „durchgedrückt“. Das heißt, wir dürfen noch weniger düngen. Dazu kommt noch die EU-Auflage der Flächenstilllegung von vier Prozent…

Es ist allen aus den Medien bekannt, wie sehr die Welt zurzeit um Getreide ringt. Und die Landwirte haben das Korn auf dem Acker stehen, sehen jedoch schlechtere Eiweißwerte beim Getreide, was schließlich auf eine mangelnde Düngung zurückzuführen ist. Das bedeutet wiederum, dass der Hunger auf der Welt vergrößert wird. Ist das vertretbar?

Wir sind bereit, Dinge anzunehmen und zu ändern – Wir verschließen uns nicht. Aber durch die aktuellen Forderungen haben wir keine Planungssicherheit. Hier geht es um unsere Existenzen und ethische Fragen, weshalb der Frust bei den Landwirten riesig ist.

Wir müssen aus allen Perspektiven mehr Aufklärungsarbeit leisten, um eine transparente Faktenlage zu schaffen.

Lasst uns weniger übereinander sprechen, sondern mehr miteinander.
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